Michiel Frielink
„Man versteht, dass man es hier nicht mit einem Peintre décorateur zu tun hat, sondern mit einem kritischen Beobachter unserer Zeit…“
Geboren: 2. 12. 1979 in Enschede, den Niederlanden.
Studium
Von 2007 bis 2011 studierte ich an der AKI (Akademie für Kunst und Industrie) in Enschede, den Niederlanden. Diplom „Bachelor of Fine Arts“ in 2011, Malerei
Professoren: Kars Persoon, Kees Smits und Joris Geurts.
In 2014 kam er für sieben Monate nach Leipzig, um die Artist in Residence „PILOTENKUECHE“ auf der Spinnerei mitzumachen. Seit Februar 2015 ist er nach Leipzig umgezogen, in Dezember 2015 wurde hier seine Tochter geboren. Er ist Mitgründer der Künstlergruppe „Yacht Club Leutzsch“.
Betritt man das Atelier von Michiel Frielink, dann gerät der Betrachter unweigerlich in ein großes Durcheinander. Farbtuben, Eimer, Bücher, ein Amboss, Werkzeug, Pinsel, Wein, Damenkleider, Helme, Leinwände, ein Kinderstuhl. Man rümpft die Nase. Es riecht. Wonach? Schwefel? Und tatsächlich zwischen getürmtem Unrat liegen zerbrochene Eier, so als wären sie gerade aus dem Nest gefallen. Darin gärt schwefelgelber Dotter. Der Maler mischt sich die Farben selber. Eitempera heißt das Zauberwort. Ein Alchimist. Der muffige Geruch von Knochenleim, der auf einer Kochplatte auf dem Boden des Ateliers siedet, mischt sich in die Schwefelgase. Ein Labor in dem gemalt wird. Zwischen all dem Chaos auf einmal Ordnung, Klarheit, Komposition. Frielinks Malereien. Stillleben, virtuos gemalt. Anachronistisch aus der Zeit gefallen. Der Betrachter atmet auf und ist versucht eine Schublade zu öffnen für den Schöpfer. Wann will ihn kategorieren. Ein altmodischer Salonmaler also? Vor Einem steht er und malt. Gepflegt gekleidet in Hemd mit gestärktem Kragen und sauberen, gebügelten Hosen. Großgewachsen, Rauschebart. Er passt ins Bild. Ein Maler des neunzehnten Jahrhunderts in unsere Zeit verbannt. Es fehlt bloß noch der Zylinder. Das süße Gift der Nostalgie flutet durch unsere Adern. Entspannt lässt man den Blick schweifen und entdeckt andere Bilder. Unangenehm, so gar nicht gefällig, schmerzhaft. Man versteht, dass man es hier nicht mit einem Peintre décorateur zu tun hat, sondern mit einem kritischen Beobachter unserer Zeit. Trümmerfrauen tragen schwitzend Backsteine durch eine unwirkliche Postapokalypse. Ruinen und Zerstörung auf vielen Bildern. Darin desillusionierte Menschen. Frauen, Männer, einsame Kinder. Nachkriegszeit. Man kommt ins Gespräch mit dem Maler und lernt jemanden kennen, dem die politische Situation Unbehagen bereitet. Immer wieder fällt der Vergleich mit den letzten Jahren der Weimarer Republik. Eine Zeit, die nur noch politische Extreme hervorbrachte. An der Wand ein Selbstportrait als alter russischer Fürst mit stechendem Blick. Im Hintergrund droht eine Kalaschnikov. Krieg und Frieden. Chaos und Ruhe. Es ist die Reibung, die das Atelier ausstrahlt. Die Reibung, die sich in die Malereien übersetzt. Es ist kein Nostalgiker, der hier schafft. Es ist ein Zeitgenosse.
Jan Pötter
Leipzig, den 22.05.2018