Elena Orlowa-Afinogenowa
„Die hier dargestellten Bilder der russischen Malerin Elena Orlowa-Afinogenowa sind eine für unsere Tage untypische und in vielen Hinsichten einzigartige Erscheinung. Orlowa-Afinogenowa ist eine Künstlerin par excellence, eine Künstlerin in ihrer Denk- und Sichtweise, eine Künstlerin in der Natur ihres Talents.“
Alexey Larionov, Kunstwissenschaftler, Kurator in der Ermitage.
Malerin Elena Orlowa-Afinogenowa wurde 1953 in Leningrad (jetzt St. Petersburg) geboren. 1983 absolvierte sie die Petersburger Akademie der Künste in der Werkstatt des 1960-1980 bedeutendsten und einflussreichsten Professors von dem Repin-Institut Jewsei Jewsejewitsch Moissejenko.
Während Elena besonnen und tiefgründig die Malereitechnik alter Meister und insbesondere der Holländer studierte, stellte sie sich gleichzeitig die kreative Aufgabe, das Geheimnis ihrer unvergänglichen Langlebigkeit in der Augen der nachfolgenden Generationen zu lüften. Die Antwort erhielt sie durch ihr eigenes Schaffen. Erstens wurde sie nicht müde, stundenlang schöne Lebensgegenstände in der Verbindung mit Attributen der Kunst zu bewundern. Das meint die Früchte, die Blumen, die Meeresfrüchte, das Glas und das Kristall, die Theatermasken und Musikinstrumente ihrer hochfeinen Stillleben. Zweitens sind es die Figuren antiker Mythen mit ihren bewährten Handlungen, welche im Zuschauer Assoziationen mit der herrlich klassischen Kindheit des Menschen wecken. Und schließlich ist eines der fundamentalsten, programmatischsten Merkmale von der Malerei Elenas ihr besonders „peterburgischer Charakter“. Sankt-Petersburg ist eine historisch inhaltsreichste Stadt, die eine Vielzahl von europäischen Traditionen in sich aufnimmt, und gleichzeitig als eine sehr russische, maßstäbliche, als eine wahre Hauptstadt mit ihrer reichsten Kultur gilt. So ist es unmöglich, dass diese Stadt einen Künstler nicht inspiriert. Der freie Aufzug durch die Epochen in silber-grau-blauer Farbpalette der „baltischen Welle“ unterscheidet sich von einer Serie eigenartiger allegorischer Szenen in Collagentechnik. Die „historischen Collagen“ im Stil vergangener Jahrhunderte und mit dem großen Einfluss der Moderne sind außerordentlich schön und dekorativ. Solche eigenartigen theatralisierten Szenen aus dem Bereich des Kitschigen werden in der Ausstellung präsentiert, so z. B. Märchen des Winterparks, Muse und Markise, Spazierfahrt von den Bergen. Solch ein fantastisches Bild von Sankt-Petersburg kam zu Elena durch Puschkin, Blok, durch die Kunst zu Beginn des 20. Jahrhunderts.
Mitte der 90er Jahre brachte eine kreative Suche Elena zu einer neuen Malertechnik. Zuerst trägt sie auf einen harten Grund eine reliefartige Schicht Grundierung (ein Gemisch aus Gips und Leim) mit vorgefassten Konturen der späteren Bildkomposition auf, und danach fertigt sie auf der getrockneten Grundierung die Malerei an. Diese Technik verstärkt die Räumlichkeit der Abbildung und verleiht den Bildern eine besondere dekorative Monumentalität. Seit 1996 arbeitet Elena mit dem literarhistorischen Museum in der Stadt Puschkin (ehemaliges Zarskoje Selo) zusammen und durchläuft den ganzen Zyklus der monumentalen historischen Bildern in der Reliefmalerei.
Große Schatten eines solchen einstigen „Kulturortes“, die „Stadt der Musen“, welche die ehemalige Sommerresidenz der russischen Monarchen war – das ist Zarskoje Selo und wurde so zu einer Inspirationsquelle für Elena. Das Stadtmuseum gab die Bilderserie „Berühmte Menschen von Zarskoje Selo“ in Auftrag. Jede Komposition dieser Serie bildet jemand aus den verschiedenen Zeitabschnitten ab, die sich auf den ein oder anderen regierenden Besitzer von Zarskoje Selo beziehen.
Gleichzeitig mit den historischen Bildern hörte Elena niemals auf, sich mit den Stillleben zu beschäftigen. Dies als ihr Lieblingsgenre erreichte in den Jahren 2000 seine Hochzeit. Alle ihre angesammelten Fertigkeiten in der Erkenntnis, was die Kunst alter Meister betrifft, behinderten ihr Handwerk nicht. Alles sieht der Künstler in der Natur überzeugender und selbstständiger, was die Schönheit der Gegenstände betrifft. Ihre Farbpalette wird klanglicher und heller, die bewusste Dämpfung der Farbtöne verschwindet. Die Schönheit der Struktur von einem zarten Blumenblatt, die Brillanz der Seide, die Weichheit des Samtes, der Glanz des Glases und des Porzellans werden besonders überzeugend und verwandeln ihre Stillleben in ein ewiges Fest des Lebens. In der Zeit der 2010er Jahre kommen im Schaffen des Künstlers neue philosophische Noten zum Vorschein. Eine solche Serie von Stillleben wird in der vorliegenden Ausstellung präsentiert.
Elenas aktive Rolle in vielen Kunstausstellungen verbringt sechs Einzelausstellungen von Werken in St. Petersburg und eines in Düsseldorf.
Sie ist Mitglied der Union der Künstler von Russland. Ihre Werke findet man in den privaten Sammlungen, den Galerien und Museen von St. Petersburg, Moskau, Berlin, Düsseldorf, München, San Francisco, Florida, Washington, New York, Paris und vielen Städten von Italien.
Zurzeit befindet sich Elena in der Hochzeit ihres Schaffens und wir warten auf neue malerische Offenbarungen von ihr.
1983–1990 – Teilnahme an Ausstellungen in Moskau und Leningrad, an regionalen und republikweiten sowie Ausstellungen in der ganzen Sowjetunion
1990–2010 – Teilnahme an Ausstellungen in der Sankt-Petersburger Abteilung vom Künstlerverband Russlands
1993 – Erste Einzelausstellung in den Räumlichkeiten des Leningrader Künstlerverbandes
1993 – Einzelausstellung in den Sälen des Palastes in Pawlowsk
1995–1996 – Einzelausstellungen im Museum für Geschichte und Literatur der Stadt Puschkin
1998 – Einzelausstellung in der Villa Neidgart (Особняк Нейдгарта) in St. Petersburg
1999 – Einzelausstellung im „Haus der Journalisten“ auf dem Newski-Prospekt
2000 – Einzelausstellung in der Altstadt-Galerie „UAW“ in Düsseldorf
2002 – Einzelausstellung in Mantua (Italien)
2003 – Einzelausstellung in Berlin (Deutschland)
2006 – Einzelausstellung in Aalborg (Dänemark)
2011 – Einzelausstellung in Philadelphia (USA)
2014 – Einzelausstellung in Schloss Zerbst (Sachsen/Anhalt, Deutschland)
2015 – Einzelausstellung im Russischen Haus der Wissenschaft und Kultur in Berlin (Deutschland)
2016 – Ausstellung im Rathaus Nürtingen (Deutschland)
2017 – Einzelausstellung in Galerie fabra ars Magdeburg (Deutschland)
Alexey Larionov, Kunstwissenschaftler, Kurator in der Eremitage.
Die hier dargestellten Bilder der russischen Malerin Elena Orlowa-Afinogenowa sind eine für unsere Tage untypische und in vielen Hinsichten einzigartige Erscheinung. Orlowa-Afinogenowa ist eine Künstlerin par excellence, eine Künstlerin in ihrer Denk- und Sichtweise, eine Künstlerin in der Natur ihres Talents. Ihr ganzes Leben lang löst sie für sich die ewige Aufgabe, die schon seit Jahrhunderten die Maler beschäftigt – Bilder in der sichtbaren Welt zu erkennen und mit Hilfe von Pinseln und Farben einzufangen, die in ihr eingeschlossene Harmonie und die sie vergeistigende Poesie auszudrücken. Die Malereikunst hat eine jahrhundertealte Geschichte hinter sich, aber gerade heute erlebt sie nicht ihre besten Zeiten. Der Einfluss anderer visuellen Künste, der Einbruch moderner Computertechnologien, verwischt die Grenzen der traditionellen Kunst, eröffnet neue Möglichkeiten, aber gleichzeitig droht sie der Kunst mit der Vereinfachung und dem Verrohen, mit dem Verlust ihrer eigenen Sprache, der Vergessenheit der Fähigkeiten dieses Berufs.
Künstler, die bereit sind, dieser zerstörenden Tendenz zu widerstehen, trifft man nicht oft und darunter zeigen nur Einzelne die Fähigkeit, den dafür notwendigen Handwerkskriterien zu entsprechen. Elena Orlowa-Afinogenowa gehört zu dieser Zahl.
Elena wurde in Sankt Petersburg geboren und wuchs in dieser Stadt, die über eine kolossale Kulturtradition verfügt, auch auf. Diese Kultur nahm die Künstlerin von der Kindheit in sich auf und konnte sie in ihrer Kunst weiter pflegen. Ihre künstlerische Ausbildung erhielt sie an der Sankt Petersburger Kunstakademie – der ältesten und berühmtesten Kunstschule von Russland, an der wahrscheinlich länger als irgendwo anders auf dem europäischen Kontinent eine lebendige Nachfolge der klassischen professionellen Ausbildung der Maler besteht. Zur anderen Schule wurde für sie die Eremitage mit ihren reichen Sammlungen der alten europäischen Meisterwerke. Der Unterricht in der Kunstakademie schenkte ihren Händen die Sicherheit und Geschicklichkeit. Die Eremitage erzog ihr Auge, lehrte sie die oberflächliche „Aktualität“ zu scheuen, brachte ihr das genaue Verständnis bei, was echt und was falsch in der Kunst ist.
Die Thematik der Bilder von Orlowa-Afinogenowa ist sehr vielfältig – sie malt mit Erfolg Porträts, Genrebilder, historische Motive, aber aus meiner Sicht realisiert sich ihre kreative Individualität im Malen des Stilllebens am größten. Das aus dem Französischen ins Russische übernommene Wort nature morte spiegelt weniger gelungen als der deutsche Begriff Stillleben das Wesen der Werke der Künstlerin wider. Ihre Bilder sind im wahrsten Sinne gefüllt mit dem stillen Leben der Gegenstände, die nicht nur einfach ausgesucht und zur Schau gestellt werden, sondern immer mit dem eigenen Charakter versehen sind und in komplizierte und überraschende Verhältnisse miteinander treten. Im Kreise der Lieblingsmotive von Orlowa-Afinogenowa sind neben den Elementen, die schon ewig für die Kunst des Stilllebens genutzt werden, wie Blumen in Vasen, Früchten, Büchern, Stoffdrapierungen, auch viele ungewöhnliche, exotische und die Fantasie reizende Gegenstände. Puppen und Theatermasken, Porzellanfiguren und Schlüsselbunde, tropische Muscheln, Schachfiguren, alte Haushaltsgegenstände und daneben flatternde Schmetterlinge und Libellen, märchenhafte in der Luft schwebende Eier, weite Landschaften, die in die intime Welt des Stilllebens eindringen – das alles erschafft auf ihren Leinwänden eine besondere Welt, die mit der Atmosphäre der poetischen Relativität und des freien Phantasiespiels durchdrungen ist. Die auf den ersten Blick unlogische Kombination der Gegenstände, die Verletzung ihres realen Maßstabs, die räumlichen Verlagerungen, die Missachtung der Gravitationsgesetze, vermitteln den Bildern von Orlowa-Afinogenowa eine oberflächliche Ähnlichkeit mit den Werken der surrealistischen Maler, aber in ihrem Geiste ist es eine andere Malerei. In ihr fehlt das für den Surrealismus charakteristische Element der Absurdität, seine Ausrichtung auf den Ausdruck der dunklen Kehrseite des menschlichen Bewusstseins.
Wir haben keine komplizierten Symbole vor uns liegen, die Entzifferung und spezielle Interpretation verlangen, sondern ein originelles „Theater der Gegenstände“, in dem uns wenn auch manchmal unausgesprochene, unserem Verständnis entgehende, aber immer sehr lebendige und gescheite Theaterstücke vorgespielt werden. Orlowa-Afinogenowa schreibt ihre Werke in der Technik der mehrschichtigen Ölmalerei mit der durchsichtigen oberflächlichen Lasur – die Technik, der sich ihre Lieblingsmeister der europäischen Barockkunst bedienten. Diese heutzutage fast vergessene Technologie erlaubt ihr eine seltene optische Überzeugungskraft der Bilder zu erreichen, die ganze Vielfalt der Eigenart der Gegenstandswelt wiederzugeben, die feinsten Effekte des Spiels zwischen Licht und Schatten zu fixieren. Es gibt heutzutage kaum Maler, die fähig sind, auf der Leinwand den lebendigen feuchten Atem der frischen Blumen, den Mattglanz des Porzellans, die Lichtbrechung in den mit Wasser gefüllten Gefäßen, die weichen Falten der alten bestickten Seide, die luftige Leichtigkeit der Spitze, die schwere, feste Rundung der Früchte mit solcher fast taktilen Greifbarkeit darzustellen. Dieser fesselnde optische Eindruck, dieses frische Aussehen, die unvergängliche Bewunderung der Schönheit der einfachen Gegenstände wird den Zuschauern übergeben und begeistert sie. Die Bilder von Orlowa-Afinogenowa sind unendlich interessant zu betrachten und je länger man sie betrachtet, desto mehr verschiedene Feinheiten und bis dahin versteckte Nuancen kommen zum Vorschein. Außerdem besitzen sie, wie es für die Kunstwerke charakteristisch ist, die Fähigkeit, immer anders auszusehen, abhängig von der Beleuchtung, der Tageszeit, dem Blickwinkel.
Diese letzte Anmerkung ist wahrscheinlich auch die wichtigste. Denn, wenn es ein universelles Merkmal gibt, das Kunst von dem unterscheidet, was keine Kunst ist, könnte man es so formulieren: Kunst ist das, was sich bei der Wiederholung nicht verwischt. Es ist das, was nie langweilt, wie Lieblingsmusik und ein vor langer Zeit auswendig gelerntes Gedicht. Es ist etwas, wohin man immer wieder zurückkehrt und jedes Mal eine Freude empfindet. Eben diese schwierige Prüfung der Echtheit bestehen die Bilder von Elena Orlowa-Afinogenowa mit Bravour.